Sonntag, 8. November 2015



Alte Steinbrücke über dem ausgetrockneten Flußlauf der Weil am Gertrudenhammer nahe Schloß Neuweilnau am 7. November 2015



Anmerkungen zu den hydrologischen Besonderheiten des Fließ-Gewässers WEIL im Mittleren Weiltal 
zwischen Weilrod-Weilnau und Weilrod-Winden 
auf der Grundlage von Detailbetrachtungen im Monat November 2015


Das Land, der Fluss und der Berg


CID Institut / Dipl. Biol. Peter Zanger
Schriftenreihe NATUR DES WEILTALES



Als PHÄNOMEN bezeichnet man im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eine nicht alltägliche, außergewöhnliche Ausnahmeerscheinung, wobei hier insbesondere in der Natur mit den menschlichen Sinnen wahrgenommene Einzel-Ereignisse so benannt werden. Das von dem alt-griechischen Begriff φαινόμενον fainómenon ( = ein sich Zeigendes, ein Erscheinendes ) abgeleitete Wort wird im Deutschen bisweilen und vermutlich auf Grund des Wortbestandteiles " -omen " mit einem besorgniserregenden, nicht notwendigerweise Beruhigendes ankündigenden Bedeutungscharakter interpretiert. Um diesem Interpretationsmuster mit der vorliegenden Publikation keinen Vorschub zu leisten sollen im Rahmen der folgenden Betrachtung die mystischen, volksmythologischen Erklärungsmodelle der gegenwärtig zu beobachtenden hydrologischen Phänomenologie der Weil ausgeklammert bleiben.

Die Weil ist ein 46,6 Kilometer langer, südlicher Zufluss der Lahn im hessischen Mittelgebirge des TAUNUS. Sie entspringt bei Nieder- und Oberreifenberg auf 738 Höhenmetern am Nordhang des Hochtaunus-Kammes nahe dem ROTEN KREUZ zwischen den Gipfel des Großen und des Kleinen Feldberges. Nach der Aar ist sie der Fluß mit dem zweitlängsten Wasserlauf im Taunus. Zudem ist sie bezogen auf die Messwerte MNQ mit 261 Litern / Sekunde und MQ mit 2,317 Kubikmetern / Sekunde der wasserreichste Fluß im Taunus. ( Daten nach WIKIPEDIA ENCYCLOPEDIA WEIL (LAHN) )



Fluss-Bett der Weil am 7. November 2015 zwischen Gertrudenhammer (Neuweilnau) und Haus Waldeck (Rod an der Weil)


 
Tatsächlich, darüber mögen die statistischen Angaben zur Gewässerhydrologie der Weil auf den ersten Blick hin hinwegtäuschen, ist die Weil ein temporäres Fliessgewässer. Temporäre Fliessgewässer führen nicht immer sondern nur in bestimmten Zeitperioden Wasser. Periodisch trockenfallende Wasserläufe sind insbesondere aus niederschlagsarmen Weltregionen  bzw. aus Gegenden mit stark ausgeprägten Regen- und Trockenzeiten bekannt, wie beispielsweise die sogenannten "Wadis" in Trockentälern der Wüsten- bzw- Halbwüstenregionen Spaniens, Nordafrikas und Vorderasiens. In den niederschlagsreicheren Gegenden der nördlicheren Breitengrade sind temporär trockenfallende Gewässerläufe eher seltener und stehen dann meistens in Zusammenhang mit Besonderheiten und Ausnahmesituationen des geologischen Untergrundes und der Niederschlagsereignisse. Bekannt sind hier insbesondere die Beispiele der teilweise unterirdisch verlaufenden Wasserläufe der Karstgebiete oder die Schneeschmelz-Abflussbäche der Hochgebirge. 

Natürlich periodisch trockenfallende Gewässerläufe sind Lebensräume besonders zusammengesetzter Lebensgemeinschaften, die an die nicht-kontinuierlichen Lebensbedingungen nur zeitweiser Wasserführung angepasst sind. Ihr Vorhandensein bzw. ihr Fehlen und Änderungen in der Artenzusammensetzung geben unter anderem Aufschluß über natürliche bzw. anthropogene Änderungen der rahmengebenden Parameter des jeweiligen Lebensraumes. So läßt sich zum Beispiel an dem im November 2015 im Flussbett der Weil zunehmend zu beobachtenden Aufwuchs von Grasarten ablesen, daß im Beobachtungsjahr 2015 eine ungewöhnliche intensive und langanhaltende Phase des Fehlens der natürlichen Gewässerdynamik vorliegt, die die Ansiedlung für einen Fließgewässergrund untypischer Pflanzenarten erlaubt.



Fluss-Bett der Weil am 7. November 2015 zwischen Gertrudenhammer (Neuweilnau) und Haus Waldeck (Rod an der Weil) mit stark aufwachsendem Grasbewuchs



Prinzipiell ist es kein Novum, daß das Fliessgewässer Weil zumindestens in bestimmten Abschnitten und während besonders trockener Sommermonate so vollständig "trockenfallen" kann, daß im Flußbett über lange Strecken gar kein Wasser mehr fließt und auch keine stehenden Restwasserlachen mehr vorhanden sind. Bekannt ist dieses, auch schon in vergangenen Jahrhunderten beschriebene Phänomen insbesondere aus der Oberlauf-Region des Flusses zwischen der Quelle bei Schmitten-Niederreifenberg und den Zuflüssen Grünbach, Emmershäuser Bach, Laubach und Quadersbach bei Weilrod Emmershausen. Natürlicher Grund für die sommerliche bzw. auf niederschlagsarme Perioden begrenzte Gewässertrockenheit ist das Fehlen stark wasserführender Zuflüsse zur Weil zwischen Emmershausen und der Weilquelle am Feldberg. 

Auf gewässerökologische Untersuchungen in diesem Zusammenhang und Studien zur Frage, warum die Weil im Sommer abschnittsweise vollständig trockenfällt, wird auch schon im diesbezüglichen Wikipedia-Artikel hingewiesen. 


 
Die Weil unterhalb der Weilbrücke der Weilstrasse zwischen den Einmündungen des Riedelbaches und des Wohbaches 
nahe dem Gertrudenhammer bei Neuweilnau am 7. November 2015




Betrachtet man die für die temporäre Trockenheit des Gewässerlaufes ausschlaggebenden, natürlichen Faktoren, so sind diese sowohl klimatologischen als auch geophysikalischen Ursprunges. Erste und wichtigste Rolle spielt natürlich die Niederschlagsmenge. So ist es in regenreichen Jahren mit hohen Niederschalgsmengen nicht ungewöhnlich, daß die Weil auch in den Sommermonaten einen, wenn auch niedrigen, dauernd fließenden Restwasserpegel in ihrem Bett vorweisen kann. In Trockenjahren kommt es dann zum "Verschwinden" des Weilwassers in bestimmten Flußabschnitten und zum Trockenfallen des Flußbettes. Das bedeutet aber nicht notwendigerweise, daß gar kein Fließgewässer mehr vorhanden ist sondern kann auch zur Ursache haben, daß im geologischen Gewässeruntergrund, der besonders an Engstellen der Weiltalschlucht durch dort angehäufte Geröll und Schottermassen der prähistorischen Gebirgserosion bestehen muß, eine talabwärts driftende, unterirdische "Grundwasserströmung" vorhanden bleibt, die bei geringer Wasserzufuhr nicht bis an die Erdoberfläche aufdringen kann.



Weilschlaufe mit Lößlehm-Steilabbruchkante zwischen Haus Waldeck und Ziegelhütte am 7. November 2015

 


Weilschlaufe in Auwiesen zwischen Haus Waldeck und Ziegelhütte am 7. November 2015



Während die vorangehend bisher betrachteten, natürlichen Faktoren Niederschlag und Beschaffenheit des geologischen Untergrundes, für alle Regionen und Fließgewässer gleichsam bestimmend für Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluß sind, so besteht in den anthropogenen Eingriffen in den Naturhaushalt und die Gewässerdynamik der zweite, bisweilen weitaus situationsbestimmendere Faktor, der auf die natürliche Gewässerdynamik einwirkt.

Anthropogene Eingriffe in Natur und Gewässerhaushalt haben lange Traditionen. Das jahrhundertelange "Bändigen" von Fließgewässern durch Uferbefestigungen und Bepflanzungen und das "Trockenlegen" von Überschwemmungsflächen zur Gewinnung von landwirtschaftlichen Anbauflächen und Bauland bzw. zum Verkehrswegebau sind bestimmend für das heutige Landschaftsbild. Menschliche Wassergewinnungsanlagen regulieren bzw. de-regulieren heute weitgehend den natürlichen Grundwasserhaushalt. Zudem sind seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen der Gesundheitsvorsorge und der Gewässer-Reinhaltung bzw. Gewässersanierung enorme Bauwerke entstanden, die heute ebenfalls einen Faktor darstellen, der den Fließgewässerhaushalt stark bis entscheidend mitbestimmt.


Zulauf des "RIEDELBACH" auf der Höhe des "GERTRUDENHAMMERS" unterhalb von Schloß Neuweilnau. Das Kleingewässer aus dem Seitental der Weil stellt für wenige dutzend Meter den Gewässerlauf der trockengefallenen Weil bis zur Wasserentnahmestelle der Gewässerkläranlage des ABWASSERVERBANDES WEILTAL wieder her, bevor das Flußbett dann erneut "trockenfällt"



Die Rede ist hier von den anthropogenen, kommunalen Wasserversorgungs- und Abwasserreinigungs-Systemen, die der natürlichen Gewässerdynamik zuerst durch Trinkwassergewinnungsanlagen eine nicht unbedeutende Menge Wasser entziehen, welches dann nach Passage der Haushalte über Strecken in von den natürlichen Gewässern hermetisch getrennten Leitungssystemen zu kommunalen Kläranlagen transportiert und dort durch mechanische, chemische und biologische Prozesse vor der Rückführung in Boden oder Fließgewässer gereinigt wird. Um die für die Wiederzuleitung geklärten Wassers in die Natur vorgeschriebenen Belastungsstoff-Grenzwerte zu erreichen ist insbesondere in Trockenzeiten die zusätzliche Entnahme nicht unbedeutender Mengen von Wasser aus Fließgewässerrn notwendig, welches zur Verdünnung während des Wasser-Klärungsprozesses benötigt und eingesetzt wird. Dazu wird  auch auf den Fließgewässer-Pegel der Weil zugegriffen, was der Grund für das heutzutage längeranhaltende Verschwinden des Wasserlaufes auch außerhalb der eigentlichen Trockenzeiten mit Sommer-Niedrigwasserständen ist.




Die Weilbrücke zu Hof Waldeck zwischen Ziegelhütte und Gertrudenhammer




Das Flussbett der Weil zwischen Hof Waldeck und Gertrudenhammer




Zusätzlich zu den im vorangehenden Artikel aufgeführten Aspekten ist zu berücksichtigen, daß die jahreszeitliche Ausdehnung der absoluten Flussbett-Trockenheit bis bisher zumindestens zur Mitte des Monates November im Beobachtungsjahr 2015 ein Novum darstellt, was zumindestens teilweise durch die enorme Niederschlagsarmut, das heißt das ungewöhnlich lange Ausbleiben von Regenfällen und die bisher in 2015 relativ geringen Regenmengen, zu erklären ist. 

Darüber hinausgehende Erklärungsmodelle würden die Hinzuziehung der Volksmythologie (Bauernregeln, Wetterzauber, etc.) erfordern, was - wie einleitend vorgegeben - in diesem Zusammenhang vermieden werden sollte.

Abschließend muss aber noch in Betracht gezogen werden, dass die vorliegende systematische Bilddokumentation und Datenerhebung entlang des Gewässerabschnittes der Weil zwischen Neuweilnau und Winden vom 7. November 2015 die hydrologische Situation des Flußlaufes zwischen der Weilquelle und Altweilnau nicht mit einbezieht. 

Diese Flußabschnittsbetrachtung läßt die Aussage zu, daß bei vollständig fehlender Wasserführung im Flußbett der Weil streckenweise durch Seitenzuflüsse (RIEDELBACH / Neuweilnau und EICHELBACH / Rod a.d. Weil) zugeführte Wasserstände mit schwacher Fließdynamik im Weilbett zu beobachten sind, diese zugeführten Wassermengen aber nach der Passage des Flußlaufs bis zur jeweils nächsten Kläranlage ( am Gertrudenhammer bzw. bei Niederrod-Rod a.d. Weil ) dort vom Abwasserreinigungssystem wieder entnommen werden.

Keine Aussage läßt sich in diesem Rahmen aber über die Frage der prinzipiellen Abnahme der Menge der Wasserförderung der Weilquelle selbst treffen, wobei hier zu untersuchen wäre, ob es sich um eine Niederschlagsmengen-abhängige Ausnahmesituation des Jahres 2015 handelt oder ob die Reduktion des von der Weilquelle ins Flußbett abgegebenen Wassers bereits seit einem längeren Zeitraum zu beobachten ist und welche möglichen anderen Ursachen dies haben könnte.




Der Eichelbach auf Höhe des REWE Marktes in Weilrod (Bildrand rechts oben) hrt dem zwischen Ziegelhütte und Ortsrand Rod an der Weil weitestgehend trockengefallenen Flußbett der Weil eine verhältnismäßig große Wassermenge zu, so daß im Verlauf der Ortspassage der Eindruck entsteht, daß das Fließgewässer nun wieder die für Trockenzeiten normale Fließgewässerdnamik aufweist.




Die Weil in der Ortspassage von Rod an der Weil auf Höhe der Schmiedhof-Brücke mit scheinbar regeneriertem, für Niedrigwasserzeiten normalem Wasserpegelstand. Tatsächlich wird die sichtbare Wasserführung aber zu 100 % vom Zulauf des weniger 100 Meter flußaufwärts zufließenden EICHELBACH generiert während die eigentliche Wassermenge vom Oberlauf des Gewässers vollständig fehlt.




  Nach der Kläranlage von Rod an der Weil - Niederrod auf Höhe der Gemeindeverwaltung Weilrod versiegt der Wasserlauf in der Weil aber erneut, so daß im gesamten folgenden Gewässerabschnitt  entlang des Hirtenberges bis zur Emmershäuser Hütte as Flußbett nochmals vollständig trockenfällt.




Das vollständig trockene Flußbett der Weil zwischen Niederrod und der Emmershäuser Hütte kurz vor dem Gewässer-Zulauf des GRÜNBACH 



Die bis hier dargestellte Situation der Wasserführung des Flußbettes der Weil bessert sich erst graduell wieder ab dem Zulauf der GRÜNBACH und dank des dort trotz des fortschreitenden Zerfalles weiterhin wirkenden Staueffektes des ehemaligen Weilwehres der Emmershäuser Mühle an der Emmershäuser Hütte. Dies führt am Untersuchungstag zu einem beständigen Wasserabfluß in der Weil ab diesem Streckenabschnitt, der schließlich weiterhin gespeist durch den EMMERSHÄUSER BACH und den  von Gemünden zufließenden LAUBACH wieder zu einem permanent fließenden Wasserpegel in der Weil in Richtung Weilmünster und Weilburg beiträgt.



Erst ab dem zerfallenden Weil-Wehr an der Emmershäuser Hütte tritt wieder eine permanente, flußabwärts wirkende Fließgewässerdynamik auf.



Die langsam wiederbeginnende Wasserablußdynamik im Flußbett der Weil Gewässer-abwärts in Richtung Emmershäuser Mühle auf Höhe der Alten Weilbrücke an der Emmershäuser Hütte




Luftbild-Karte des am 7.11.2015 betrachteten Gewässerabschnittes der Weil zwischen Weilrod-Neuweilnau / Gertrudenhammer (rechts) und der Emmershäuser Hütte (links)
Der Flußlauf der Weil ist blau nachgezeichnet. 
Quelle : Google Earth

 





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PETER ZANGER, Neuweilnau, 7. November 2015

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